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Urteil Verwaltungsgericht (SG - B 2017/219)

Zusammenfassung des Urteils B 2017/219: Verwaltungsgericht

Ein ehemaliger Stadtrat hat die Regierung des Kantons St. Gallen um Entbindung vom Amtsgeheimnis gebeten. Die Regierung hielt sich für unzuständig und überwies die Angelegenheit formlos an den Stadtrat der politischen Gemeinde Q. Der Beschwerdeführer sah darin eine Rechtsverweigerung und erhob Beschwerde. Das Verwaltungsgericht entschied, dass die Regierung die Beschwerde abweisen müsse, soweit darauf einzutreten sei. Es stellte fest, dass die formlose Übermittlung des Gesuchs des Beschwerdeführers an die Beschwerdegegnerin rechtswidrig war. Der Beschwerdeführer wurde teilweise in seiner Beschwerde gutgeheissen, und die Angelegenheit wurde zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts B 2017/219

Kanton:SG
Fallnummer:B 2017/219
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:Verwaltungsgericht
Verwaltungsgericht Entscheid B 2017/219 vom 13.12.2018 (SG)
Datum:13.12.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:EntscheidTätigkeit als Stadtrat vom Amtsgeheimnis zu entbinden und überwies das
Schlagwörter: Stadt; Recht; Stadtrat; Amtsgeheimnis; Gemeinde; Behörde; Departement; Verwaltung; Vorinstanz; Rechtsverweigerung; Regierung; Gesuch; Zuständig; Entbindung; Entscheid; Zuständigkeit; Beschwerdeführers; Verfahren; Über; Verfahren; Innern; Verwaltungsgericht; Rechtsvertreter; Kanton; Staat; Gallen; Kantons; Stadtrats
Rechtsnorm: Art. 29 BV ;Art. 320 StGB ;Art. 8 VwVG ;
Referenz BGE:108 Ib 540; 121 III 219; 128 I 34; 135 I 6;
Kommentar:
Mader, Brunner, Cottier, Hand zum Öffentlichkeitsgesetz, Art. 4, 2008

Entscheid des Verwaltungsgerichts B 2017/219

Schreiben des Beschwerdeführers formlos an den ihres Erachtens zuständigen Stadtrat. Der Beschwerdeführer erachtete dies als Rechtsverweigerung.Vorliegend behauptete Beschwerdeführer ausdrücklich die Zuständigkeit einer Behörde, weshalb das Vorgehen der formlosen Überweisung nicht möglich ist. Bei Verneinung der Zuständigkeit ist ein formeller Nichteintretensentscheid zu erlassen. Überdies müsste Regierung und nicht Departement über das Gesuch entscheiden. Das Departement beging damit eine Rechtsverweigerung.Obiter dictum: Zuständig für die Entbindung vom Amtsgeheimnis ist in diesem Fall der Stadtrat (Verwaltungsgericht, B 2017/219).

Rechtsverweigerung betreffend Entbindung vom Amtsgeheimnis. Art. 11 Abs. 3 VRP, Art. 29 Abs. 1 BV.

Das instruierende Departement hielt die Regierung für unzuständig, den Beschwerdeführer in seiner ehemaligen Tätigkeit als Stadtrat vom Amtsgeheimnis zu entbinden und überwies das Schreiben des Beschwerdeführers formlos an den ihres Erachtens zuständigen Stadtrat. Der Beschwerdeführer erachtete dies als Rechtsverweigerung.

Vorliegend behauptete Beschwerdeführer ausdrücklich die Zuständigkeit einer Behörde, weshalb das Vorgehen der formlosen Überweisung nicht möglich ist. Bei Verneinung der Zuständigkeit ist ein formeller Nichteintretensentscheid zu erlassen. Überdies müsste Regierung und nicht Departement über das Gesuch entscheiden. Das Departement beging damit eine Rechtsverweigerung.

Obiter dictum: Zuständig für die Entbindung vom Amtsgeheimnis ist in diesem

Fall der Stadtrat (Verwaltungsgericht, B 2017/219).

Entscheid vom 13. Dezember 2018

Besetzung

Präsident Eugster; Vizepräsident Zürn, Verwaltungsrichterin Reiter, Verwaltungsrichter Zogg, Verwaltungsrichterin Bietenharder; Gerichtsschreiberin Schambeck

Verfahrensbeteiligte

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Leo R. Gehrer, SwissLegal asg.advocati,

    Kreuzackerstrasse 9, 9000 St. Gallen,

    gegen

    Regierung des Kantons St. Gallen, Regierungsgebäude, 9001 St. Gallen,

    Vorinstanz,

    und

    Politische Gemeinde Q. , vertreten durch den Stadtrat

    Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand

    Rechtsverweigerung betreffend Entbindung vom Amtsgeheimnis

    Das Verwaltungsgericht stellt fest:

    A.

    1. Mit Schreiben vom 19. Januar 2017 ersuchte A. , vertreten durch seinen Rechtsvertreter, den Stadtrat Q. um Bestätigung, dass er in allen Verfahren und vor allen Gerichten vom Amtsgeheimnis befreit sei. Dazu verwies er auf den Protokollauszug vom 24. Juni 2013 aus der Sitzung des Stadtrats Q. vom 19. Juni 2013, gemäss welchem er sowohl gegenüber seinen Rechtsvertretern als auch gegenüber der Anklagekammer, den Strafuntersuchungsbehörden und den gegebenenfalls mit der Materie befassten Gerichten vom Amtsgeheimnis befreit wurde. Am 25. Januar 2017 teilte Rechtsanwalt B. , welcher den Stadtrat vertritt, A. mit, dass sich die Befreiung vom Amtsgeheimnis lediglich auf das gegen ihn geführte Strafverfahren bezogen habe. Eine weitergehende Befreiung vom Amtsgeheimnis

      enthalte der Protokollauszug vom 24. Juni 2013 nicht. Die Klage von A. und weiterer Abtretungsgläubiger der K. AG gegen die Stadt Q. stehe in keinem Zusammenhang mit dem oben genannten Strafverfahren.

    2. In der Folge stellte A. am 27. Januar 2017 durch seinen Rechtsvertreter bei der Regierung des Kantons St. Gallen ein Gesuch um Entbindung vom Amtsgeheimnis in seiner ehemaligen Tätigkeit als Stadtrat der politischen Gemeinde Q. . Er beantragte, dass er für den beim Bezirksgericht R. anhängigen Forderungsprozess sowie überhaupt für alle Verfahren, in denen er persönlich in Sachen K. AG in Konkursliquidation als Partei Zeuge beteiligt sei, vom Amtsgeheimnis zu befreien sei. Mit Schreiben vom 30. Januar 2017 bestätigte die Staatskanzlei den Eingang des Gesuchs und wies die Angelegenheit dem Departement des Innern zur Bearbeitung zu. Dieses kam im Schreiben vom 2. Februar 2017 zum Schluss, dass weder die Regierung noch das Departement zuständig für die Entbindung vom Amtsgeheimnis seien und übermittelte das Gesuch dem Stadtrat der politischen Gemeinde Q. zur Bearbeitung.

    3. Am 10. Februar 2017 reichte A. durch seinen Rechtsvertreter bei der Regierung des Kantons St. Gallen ein Wiedererwägungsgesuch betreffend die verfahrensleitende Verfügung des Departements des Innern sowie eventualiter eine Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen den Rechtsdienst des Departements des Innern ein. Er sei nach wie vor der Ansicht, dass die Regierung für die Entbindung vom Amtsgeheimnis zuständig sei. Die Leiterin des Departements des Innern hielt in ihrem Schreiben vom 20. Februar 2017 fest, dass die Übermittlung an den Stadtrat formlos erfolgt sei und ihr daher kein Verfügungscharakter zukomme. Dementsprechend sei die Übermittlung keiner Wiedererwägung zugänglich. Eventualiter habe A. eine Rechtsverweigerungsbeschwerde erhoben. Nachdem sich diese gegen das Departement des Innern richte, könne dieses die Beschwerde nicht mehr zuhanden der Regierung bearbeiten. Die Entscheidfindung würde demnach dem Bildungsdepartement als ordentlichem Stellvertreter des Departements des Innern obliegen.

    4. Nach Einholung der Vernehmlassungen beim Stadtrat Q. und dem Departement des Innern entschied die Regierung in der Sitzung vom 24. Oktober 2017, dass die

Rechtsverweigerungsbeschwerde abgewiesen werde, soweit darauf einzutreten sei. Sie hielt im Ergebnis fest, es erscheine vertretbar, dass das Departement des Innern die Angelegenheit formlos an den aus seiner Sicht zuständigen Stadtrat Q. zur Behandlung übermittelt habe. In der formlosen Übermittlung sei keine materielle Rechtsverweigerung zu erblicken. Hinsichtlich des Einwandes der Befangenheit des Stadtrats Q. könne ein Gesuch um Einsetzung einer Ersatzverwaltung beim Amt für Gemeinden gestellt werden.

B.

  1. A. (Beschwerdeführer) erhob am 7. November 2017 durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde gegen den Entscheid der Regierung (Vorinstanz) beim Verwaltungsgericht. Er stellte den Antrag, dass die Beschwerde gutzuheissen sei und der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben sei sowie die Vorinstanz für die weitere Behandlung als zuständig erklärt werde; unter Kosten- und Entschädigungsfolge. In Bezug auf die Parteientschädigung im vorinstanzlichen Rechtsverweigerungsverfahren sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

  2. Mit Verfügung vom 28. Dezember 2017 hiess der Präsident des Verwaltungsgerichts das Gesuch um aufschiebende Wirkung gut. Dem Stadtrat der politischen Gemeinde Q. wurde damit die Behandlung des an ihn übermittelten Gesuchs um Entbindung des Beschwerdeführers vom Amtsgeheimnis untersagt.

  3. Sowohl die Vorinstanz wie auch das Departement des Innern schlossen in ihren Vernehmlassungen auf Abweisung der Beschwerde und verzichteten auf ergänzende Bemerkungen. Die politische Gemeinde Q. (Beschwerdegegnerin) liess sich am 23. Februar 2018 vernehmen und beantragte, dass auf die Beschwerde nicht einzutreten sei, eventualiter sei sie abzuweisen.

  4. Am 6. März 2018 nahm der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter zur Beschwerdeantwort der Beschwerdegegnerin Stellung und hielt an seinen Anträgen fest. Die Beschwerdegegnerin äusserte sich am 15. März 2018 dazu.

    Auf die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Begründung ihrer Anträge und die Akten wird, soweit für den Entscheid wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.

    Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

    1. Das Verwaltungsgericht ist zum Entscheid in der Sache zuständig (Art. 92 in Verbindung mit Art. 59bis Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege, sGS 951.1, VRP). Die Rechtsprechung erfolgt in Fünferbesetzung, weil die Regierung als Vorinstanz entschieden hat (Art. 18 Abs. 3 lit. b Ziff. 2 des Gerichtsgesetzes, sGS 941.1, GerG). Der Beschwerdeführer ist zur Ergreifung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP). Die Beschwerde gegen den Entscheid der Vorinstanz vom 24. Oktober 2017 wurde mit Eingabe vom 7. November 2017 rechtzeitig erhoben und erfüllt formal und inhaltlich die gesetzlichen Anforderungen (Art. 64 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 VRP). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

2.

    1. Nach Art. 11 Abs. 3 VRP werden Eingaben an eine unzuständige Stelle von dieser der zuständigen Stelle übermittelt. Fehlt es an der Zuständigkeit, kann die angerufene Instanz die Eingaben formlos mittels förmlichen Nichteintretensentscheids weiterleiten. Ein förmlicher Entscheid ist zu erlassen, wenn einer der Beteiligten die Zuständigkeit ausdrücklich behauptet bestreitet (Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 470, T. Flückiger, in: Waldmann/Weisseberger [Hrsg.], Praxiskommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 2016, Rz. 11 zu Art. 8 VwVG). Die Behauptung kann ausdrücklich erfolgen sich implizit etwa aus einer (weiteren) Eingabe im Rahmen des Schriftenwechsels ergeben (BGE 108 Ib 540 E. 2a, BGer 2C_372/2018 vom 25. Juli 2018 E. 4.1.3).

    2. Der Beschwerdeführer bat mit Schreiben vom 19. Januar 2017 die Beschwerdegegnerin um Bestätigung, dass er gestützt auf den Protokollauszug vom

24. Juni 2013 aus der Sitzung des Stadtrats Q. vom 19. Juni 2013, gemäss welchem er sowohl gegenüber seinen Rechtsvertretern als auch gegenüber der Anklagekammer, den Strafuntersuchungsbehörden und den gegebenenfalls mit der Materie befassten Gerichten vom Amtsgeheimnis befreit wurde, auch in allen anderen Verfahren und vor allen Gerichten vom Amtsgeheimnis befreit sei. Mit Schreiben vom 25. Januar 2017

teilte der damalige Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer mit, dass sich die Befreiung vom Amtsgeheimnis lediglich auf das Strafverfahren bezogen habe. Eine weitergehende Befreiung vom Amtsgeheimnis enthalte der Protokollauszug vom 24. Juni 2013 nicht. Nach dieser Antwort der Beschwerdegegnerin gelangte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 27. Januar 2017 an die Vorinstanz und bat diese um Entbindung vom Amtsgeheimnis bezüglich seiner ehemaligen Tätigkeit als Stadtrat der Beschwerdegegnerin. Er stellte klar, dass er die Vorinstanz als zuständige "vorgesetzte" Behörde betrachte und behauptete damit explizit deren Zuständigkeit (Formelles, Ziff. 3). Wenn eine Partei wie im vorliegenden Fall die Zuständigkeit einer Behörde ausdrücklich behauptet, scheidet das Vorgehen der formlosen Übermittlung aus. In diesem Fall kommt bei Verneinung der Zuständigkeit nur ein formeller Nichteintretensentscheid in Betracht. Folglich erweist sich das Schreiben des Departements des Innern vom 2. Februar 2017, an welches die Angelegenheit durch die Staatskanzlei zur Bearbeitung zugewiesen worden war, mit der formlosen Übermittlung des Gesuches des Beschwerdeführers an die Beschwerdegegnerin als rechtswidrig, zumal die Regierung und nicht das instruierende Departement über das Gesuch des Beschwerdeführers hätte entscheiden müssen.

3.

    1. Nach Art. 29 Abs. 1 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (SR 101, BV) hat jede Person in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. Dieser Artikel räumt den Anspruch auf Behandlung formgerecht eingereichter Eingaben ein und verbietet die formelle Rechtsverweigerung. Eine solche formelle Rechtsverweigerung liegt vor, wenn die Behörde auf eine ihr unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber entscheiden müsste (BGE 135 I 6 E. 2.1). Die Beurteilung einer formellen Rechtsverweigerung richtet sich nach dem einschlägigen Verfahrensrecht, und es wird dabei geprüft, ob das Verfahrensrecht unter dem Gesichtswinkel des Eintretens Nichteintretens auf eine Eingabe korrekt gehandhabt wird (G. Steinmann in: B. Ehrenzeller u.w. [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N 20 zu Art. 29 BV).

      Im kantonalen Recht kann mit der Rechtsverweigerungsbeschwerde nach Art. 88 Abs. 2 VRP geltend gemacht werden, dass die Behörde sich weigere, eine vorgeschriebene Amtshandlung vorzunehmen sie ungerechtfertigt verzögere (lit. a), die Amtsgewalt missbrauche sich einer strafbaren Handlung Unterlassung schuldig gemacht habe (lit. b) bei Ausübung der Befugnisse sonst willkürlich gehandelt habe (lit. c). Es wird zwischen formeller und materieller Rechtsverweigerung unterschieden. Voraussetzung für eine Rechtsverweigerungsbeschwerde aus formellen Gründen ist, dass der Betroffene Anspruch auf Erlass einer Verfügung hat (Cavelti/Vögeli, a.a.O., Rz. 1208 ff.).

    2. Wie unter E. 2.2 ausgeführt, hätte das Departement des Innern weder in eigenem Namen über die Zuständigkeit über das Gesuch des Beschwerdeführers vom 27. Januar 2017 entscheiden noch dieses formlos an die Beschwerdegegnerin übermitteln dürfen. Dabei kann offenbleiben, ob das Übermittlungsschreiben des Departementes vom 2. Februar 2017 nicht auch als Verfügung hätte qualifiziert werden können und demzufolge einer Wiedererwägung zugänglich gewesen wäre (vgl. BGE 108 Ib 540 E. 2). Deshalb hätte die Vorinstanz die Rechtsverweigerungsbeschwerde schützen müssen. Die Beschwerde ist in diesem Punkt und somit teilweise gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid über das Gesuch des Beschwerdeführers, allenfalls zunächst über die Zuständigkeit, an die Vorinstanz zurückzuweisen.

  1. In der Sache bleibt zwar strittig, ob die Vorinstanz als "vorgesetzte" Behörde des Stadtrats der Beschwerdegegnerin gilt und damit materiell über die Entbindung vom Amtsgeheimnis des Beschwerdeführers zu entscheiden hat. Die Bestimmung der zuständigen Behörde – gemäss Beschwerdeantrag Ziff. 1 zweiter Teil soll dies die Vorinstanz sein – ist nach Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vorerst Sache der Vorinstanz selbst und nicht des Verwaltungsgerichts. In diesem Punkt ist die Beschwerde deshalb abzuweisen.

    Aus prozessökonomischen Gründen ist dazu immerhin im Rahmen eines obiter dictum Folgendes festzuhalten, auch wenn dieses nicht in Rechtskraft erwachsen kann (VerwGE B 2015/14 vom 20. Januar 2017 E. 1, www.gerichte.sg.c h):

    1. Der Beschwerdeführer unterstand in seiner Stellung als Stadtrat und untersteht auch nach seinem Ausscheiden der Schweigepflicht über amtliche Angelegenheiten, die gemäss besonderer Vorschrift gemäss ihrer Natur geheim zu halten sind (vgl. Art. 99 Abs. 1 und 2 GG). Wer ein Geheimnis offenbart, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Behörde als Beamter anvertraut worden ist, das er in seiner amtlichen dienstlichen Stellung wahrgenommen hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren Geldstrafe bestraft. Die Verletzung des Amtsgeheimnisses ist auch nach Beendigung des amtlichen dienstlichen Verhältnisses strafbar (Art. 320 Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuches, SR 311.0, StGB). Keine Verletzung des Amtsgeheimnisses liegt vor, wenn das Geheimnis mit schriftlicher Einwilligung der vorgesetzten Behörde offenbart wird (Art. 320 Abs. 2 StGB). Wer die vorgesetzte Behörde ist, ist nach dem Verwaltungsrecht zu entscheiden (Trechsel/Vest in: Trechsel/ Pieth [Hrsg.], Praxiskommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, 2. Aufl. 2013, N 12 zu Art. 320 StGB). Entsprechendes wird auch in Art. 37 des Einführungsgesetzes

      zur schweizerischen Straf- und Jugendstrafprozessordnung (sGS 962.1, EG-StPO) festgehalten: Behördenmitglieder sowie Mitarbeitende des Kantons und der Gemeinden bedürfen für die Herausgabe amtlicher Akten und für die Erteilung von Auskünften über Tatsachen, die dem Amtsgeheimnis unterstehen, der Zustimmung der vorgesetzten Behörde, wenn sich die Untersuchung nicht gegen sie selbst richtet. In der Botschaft und dem Entwurf der Regierung zum EG-StPO vom 20. Oktober 2009 wurde dazu Folgendes ausgeführt: Welche Instanz als „vorgesetzte Behörde“ zu qualifizieren ist, bestimmt sich nach dem kantonalen Organisationsrecht. Bei den Mitarbeitenden der Kantonsverwaltung ist dies gestützt auf Art. 69 des Staatsverwaltungsgesetzes (sGS 140.1) das jeweils zuständige Departement. Bei Amtsstellen der Gemeinden ist in der Regel der Rat die vorgesetzte Behörde (ABl 2009

      S. 3133). Wer vorgesetzte und damit zuständige Behörde eines Mitglieds des Stadtrates ist, ist weder diesem Gesetz noch der dazugehörigen Botschaft zu entnehmen.

    2. In der Verfassung des Kantons St. Gallen (sGS 111.1, KV) wird den Gemeinden Autonomie zugesichert (Art. 89 KV). Die Gemeinde steht unter der Aufsicht des Kantons. Die Aufsicht beschränkt sich im Bereich der Gemeindeautonomie auf die Überprüfung der Rechtmässigkeit (Art. 100 Abs. 1 KV). Mit dem Gemeindegesetz wurden die organisations- und haushaltrechtlichen Bestimmungen der Verfassung auf

      Gesetzesstufe umgesetzt. So wird in diesem Gesetz unter anderem die den Gemeinden von der KV zugestandene Autonomie in Sachen der Behördenorganisation geregelt. Nach Art. 155 Abs. 1 GG umfasst die Staatsaufsicht nach Massgabe der Kantonsverfassung die öffentlich-rechtliche und die privatrechtliche Tätigkeit der Gemeinde. Aufsichtsbehörden sind die Regierung, das zuständige Departement und weitere Behörden nach Massgabe der Gesetzgebung (Art. 156 GG). Die Regierung übt die Oberaufsicht aus (Art. 157 Abs. 1 GG). Die kantonale Aufsichtsbehörde ist damit befugt, die Gemeindetätigkeiten auf deren Rechtmässigkeit zu überprüfen. Die operativen Tätigkeiten unterstehen also einem Kontrollsystem auf kantonaler Stufe (vgl. den dreistufigen Staatsaufbau des schweizerischen Bundesstaates, Häfelin/Haller/ Keller/Thurnherr, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 9. Aufl. 2016, Rz. 974 sowie Aufsicht über die Gemeinden Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrechts,

      7. Aufl. 2016, Rz. 1947 ff.). Bei Verletzung der gesetzlichen Ordnung trifft die

      Aufsichtsbehörde Massnahmen nach Art. 159 Abs. 2 GG.

    3. Die Gemeinde selbst kann sich wiederum durch die Gemeindeordnung organisieren (Art. 3 und 19 des Gemeindegesetzes, sGS 151.2, GG), was die Beschwerdegegnerin mit Erlass der Gemeindeordnung vom 28. Februar 2016 (sRS 111.1) tat. Das Stadtparlament der Beschwerdegegnerin beaufsichtigt gemäss Art. 27 Abs. 1 dieser Gemeindeordnung den Stadtrat und die Verwaltung. Die Aufgaben des Stadtrates werden in Art. 36 Abs. 3 der Gemeindeordnung umschrieben; unter anderem ist er auch für alle weiteren Aufgaben der Stadt, die nicht einem anderen Organ zugewiesen werden, zuständig (Art. 36 Abs. 3 lit. k der Gemeindeordnung der Stadt Q. ). In Anwendung von Art. 101 GG erliess der Stadtrat von Q. ein Geschäftsreglement (sRS 161.1). Keine der genannten Gesetzesbestimmungen vermögen eine abschliessende Antwort auf die vorliegend interessierende Frage hinsichtlich der zuständigen Behörde für die Entbindung eines Mitglieds des Stadtrats vom Amtsgeheimnis zu geben.

  2. Demnach besteht eine planwidrige Unvollständigkeit der vorliegenden Gesetzesbestimmungen. Eine Lücke im Gesetz liegt vor, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf eine sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt eine Antwort gibt, die aber als sachlich unhaltbar angesehen werden muss (zum Begriff der Gesetzeslücke bzw. der planwidrigen Unvollständigkeit

    des Gesetzes vgl. BGE 128 I 34 E. 3b, BGE 121 III 219 E. 1d/aa; Häfelin/Müller/ Uhlmann, a.a.O., Rz. 201 ff.). Beim Ausfüllen einer Gesetzeslücke hat ein Gericht allgemeine Rechtsgrundsätze zu befolgen. Grundsätzlich hat es diejenigen Regeln zu bilden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde. Eine Lückenfüllung kann auch durch Analogieschluss in Anlehnung an bestehende gesetzliche Regelungen erfolgen (Wiederkehr/Richli, Praxis des allgemeinen Verwaltungsrechts, Band I, Bern 2014, Rz. 1237 ff.).

    1. Im Geschäftsreglement des Stadtrats Q. ist in Art. 42 Abs. 3 geregelt, dass bei der Bearbeitung von Gesuchen im Bereich des Gesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (sGS 140.2, Öffentlichkeitsgesetzes, OeffG) jeweils das in der Sache zuständige Mitglied des Stadtrats Verfügungen erlässt. Sofern der Stadtrat direkt betroffen ist, so ist die Stadtpräsidentin bzw. der Stadtpräsident zuständig. Im Öffentlichkeitsgesetz werden die Information der Öffentlichkeit durch die öffentlichen Organe und der Zugang zu amtlichen Dokumenten geregelt (Art. 1 Abs. 1 OeffG). Analog dem Amtsgeheimnis ist der Zugang zu geheimen Information über das Öffentlichkeitsgesetz (Art. 2, 3, 6 und 7 OeffG) nicht gestattet. Umgekehrt fällt die gesamte Kategorie der Dokumente, die nach OeffG zugänglich und nicht in den Ausnahmebestimmungen (Art. 2, 3, 6 und 7 OeffG) geregelt sind, nicht unter das Amtsgeheimnis (B. Cottier, in: Brunner/Mader [Hrsg.], Handkommentar zum Öffentlichkeitsgesetz, Bern 2008, N 12 zu Art. 4, BGer 1C_129/2016 vom 14. Februar 2017 E. 2.3.1). Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen hat der Stadtrat nach Art. 42 Abs. 3 der Gemeindeordnung zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall der Zugang zu den amtlichen Dokumenten zu gewähren ist. Im Falle der Entbindung vom Amtsgeheimnis ist ebenfalls abzuwägen, ob die betroffene Person Informationen über Dienst- und Privatgeheimnisse preisgeben darf. Der im OeffG geregelte Zugang zu amtlichen Dokumenten und die Entbindung vom Amtsgeheimnis weisen eine rechtlich dogmatische Nähe auf. In diesem Sinne ist die für das OeffG bestehende Regelung der Zuständigkeit zur Beantwortung der vorliegend im Streit liegenden Frage der „vorgesetzten Behörde“ mitzuberücksichtigen. Im vorliegenden Fall verlangt der Beschwerdeführer als ehemaliger Stadtrat der Beschwerdegegnerin die Entbindung vom Amtsgeheimnis. Nach Art. 42 Abs. 3 des Geschäftsreglements der Beschwerdegegnerin ist geregelt, dass sofern der Stadtrat direkt betroffen ist, die Stadtpräsidentin bzw. der Stadtpräsident zuständig ist. Mit Beschluss vom 19. Juni

      2013 befreite der Stadtrat der Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer im Rahmen des gegen ihn laufenden Strafverfahrens bereits vom Amtsgeheimnis. Die Beschwerdegegnerin bestreitet auch nach wie vor nicht ihre Zuständigkeit (Beschwerdeantwort vom 23. Februar 2018, act. 11).

    2. Ein Vergleich mit anderen Gemeinden zeigt, dass - sofern sich in den Gemeindeordnungen bzw. Geschäftsreglementen explizite Regelungen betreffend die Befreiung vom Amtsgeheimnis finden - in der Regel die Exekutive als zuständige und damit „vorgesetzte“ Behörde für die Entbindung vom Amtsgeheimnis bei einem Mitglied des Rats erklärt wird (beispielhafte Aufzählung: Art. 16bis Abs. 1 lit. c des Geschäftsreglements des Stadtrates der Stadt St. Gallen, sRS 173.1, Art. 71b Abs. 2 der Gemeindeordnung der Stadt Bern, SSSB Nr. 101.1, Art. 63 des Geschäftsreglements des Grossen Stadtrates der Stadt Luzern, sRS 0.3.1.1.1 und Art. 16 der Geschäftsordnung für den Stadtrat der Stadt Chur, sGS 122).

    3. Unter Berücksichtigung des Angeführten ist davon auszugehen, dass in Anlehnung an das Geschäftsreglement des Stadtrats hinsichtlich der Zuständigkeit bei Gesuchen betreffend das Öffentlichkeitsgesetz und an die bestehenden Regelungen anderer Gemeinden für ein (ehemaliges) Mitglied des Stadtrates der Beschwerdegegnerin der Stadtrat der Beschwerdegegnerin als „vorgesetzte Behörde“ nach Art. 320 Abs. 2

      StGB und Art. 37 EG-StPO gilt und dieser damit zuständig für die in Frage stehende Entbindung vom Amtsgeheimnis ist. Dies entsprach offensichtlich auch der gemeinsamen Sichtweise des Beschwerdeführers und der Beschwerdegegnerin im Juni 2013, als der Stadtrat Q. den Beschwerdeführer auf dessen Gesuch hin vom Amtsgeheimnis im gegen diesen gerichteten Strafverfahren befreite (act. 8/3a/1-4).

  3. Über den Einwand des Beschwerdeführers, der Stadtrat der Beschwerdegegnerin sei befangen, ist zwar ebenfalls nicht im vorliegenden Verfahren zu entscheiden. Entgegen der Meinung der Vorinstanz ist allerdings nach dem Wortlaut von Art. 159 Abs. 2 lit. f Ziff. 1 GG kein Gesuch um Einsetzung einer Ersatzverwaltung notwendig, sondern eine solche kann – und soll bei gegebenen Voraussetzungen – auch von Amtes wegen erfolgen. Im vorliegenden Fall dürfte eine Befangenheit der Mitglieder des Stadtrates der Beschwerdegegnerin und damit eine Ausstandspflicht im Sinne von Art. 7 VRP vorliegen, verlangt doch der Beschwerdeführer die Befreiung vom

Amtsgeheimnis für ein Zivilverfahren über wechselseitige Forderungen in der Grössenordnung von rund zehn Millionen Franken.

7.

    1. Nach Art. 95 Abs. 1 VRP hat in Streitigkeiten jener Beteiligte die Kosten zu tragen, dessen Begehren ganz teilweise abgewiesen werden. Dem Verfahrensausgang entsprechend – Obsiegen des Beschwerdeführers in der Hauptsache und Rückweisung an die Vorinstanz – sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Staat aufzuerlegen. Eine Entscheidgebühr von CHF 2'000 ist angemessen. Auf die Erhebung der Kosten ist zu verzichten (Art. 95 Abs. 3 VRP). Der im Beschwerdeverfahren geleistete Kostenvorschuss von CHF 2'000 ist dem Beschwerdeführer zurückzuerstatten.

    2. Der Beschwerdeführer hat im Beschwerdeverfahren Anspruch auf eine ausseramtliche Entschädigung zulasten des Staates (Vorinstanz, vgl. Art. 98 Abs. 1 und 2 VRP sowie Art. 98bis VRP). Der Rechtsvertreter hat keine Kostennote eingereicht, weshalb die Entschädigung nach Ermessen festzusetzen ist (vgl. Art. 30 lit. b Ziff. 1 und Art. 31 Abs. 1 und 2 des Anwaltsgesetzes, sGS 963.70, AnwG, sowie Art. 6, 19 und 22 Abs. 1 lit. b der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten, sGS 963.75, HonO). Eine Entschädigung von insgesamt CHF 3‘000 ist angemessen. Hinzu kommen 4% pauschale Barauslagen (Art. 28bis Abs. 1 HonO) sowie die Mehrwertsteuer (Art. 29 HonO). Die vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erbrachten anwaltlichen Leistungen unterliegen sowohl den bisherigen als auch den neu ab 1. Januar 2018 geltenden Mehrwertsteuersätzen. Da die Leistungen mehrheitlich vor dem

1. Januar 2018 erbracht wurden, ist ein Anteil der ausseramtlichen Entschädigung von CHF 2‘000 zuzüglich Barauslagen mit dem bisherigen Mehrwertsteuersatz von 8 % und ein solcher von CHF 1‘000 zuzüglich Barauslagen mit dem neuen Steuersatz von

7.7 % abzurechnen (vgl. Ziff. 2.1 der MWST-Info 19 zur Steuersatzänderung per

1. Januar 2018, www.estv.admin.c h).

Über die Kostenfolge und die vom Beschwerdeführer beantragte Parteientschädigung im vorinstanzlichen Verfahren hat die Vorinstanz zu entscheiden. Sie hat die Kosten entsprechend einem vollständigen Obsiegen des Beschwerdeführers zu verlegen.

Demnach erkennt das Verwaltungsgericht zu Recht:

  1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der angefochtene Entscheid der Vorinstanz aufgehoben.

  2. Die Sache wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

  3. Der Staat trägt die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 2'000. Auf

    die Erhebung wird verzichtet. Der geleistete Kostenvorschuss in der Höhe von

    CHF 2'000 wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.

  4. Der Staat entschädigt den Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren ausseramtlich mit CHF 3‘000 zuzüglich vier Prozent Barauslagen und Mehrwertsteuer (CHF 2'080 zu 8%, CHF 1'040 zu 7,7%).

Der Abteilungspräsident Die Gerichtsschreiberin

Eugster Schambeck

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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